"Ist doch nur eine Kommunalwahl!" - Von wegen. Kaum eine Wahl hat sonst so einen Einfluss auf das, was im direkten Umfeld geschieht. Nur 37,2 Prozent Beteiligung bei der letzten Wahl heißt: da ist noch viel Luft nach oben. Das mindeste, was man tun kann, wenn man Südspange und Ostring II nicht möchte, ist Parteien zu wählen, die diese Planungen nicht unterstützen - und idealerweise auch an Alternativen wie Stadtbahn, massivem Ausbau des Radverkehrs oder bezahlbarem und digital weiterentwickeltem ÖPNV arbeiten.
Was heißt das konkret?
SPD, CDU, FDP und SSW - nein danke
SPD, CDU, FDP und SSW haben entweder in ihren Kommunalwahlprogrammen oder durch Beschlüsse in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in Kiel keine Option sind. Diese Parteien feierten im Juni 2017 in einer gemeinsamen Pressemitteilung die Südspange als Maßnahme, die der Umwelt "zugute" komme, "Anwohner endlich von Verkehrslärm entlaste" und Pendlern nutze, die "ihre wertvolle Zeit nicht im Stau verschwenden wollen". Man muss das schon fast als Beleidigung auffassen, wenn einem als Bürger dieser Stadt solch ein peinliches, von Halbwahrheiten durchsetztes Politikergeschwurbel vorgesetzt wird.
In der SPD ist das Thema immerhin umstritten. Bis dato ist aber nur die kritische Haltung eines SPD-Ratskandidaten bekannt, nämlich des 25-jährigen Philip Schüller, der in Hassee kandidiert (Wahlkreis 14). Da der CDU-Gegenkandidat hier der notorische Stadtbahn-Neinsager Stefan Kruber ist, wünscht bielenbergkoppel.de hier dem SPD-Kandidaten das Direktmandat.
Ausgerechnet die CDU hat neben Skurrilitäten wie einer Autofähre auf der Förde die Verwirklichung von autonom fahrenden ÖPNV im Programm, wobei mit Uni bis Hauptbahnhof eine unsinnige und unrealistische Pilotstrecke genannt wird (die prädestiniert wäre für eine erste Stadtbahnlinie). Auf bielenbergkoppel.de wird eher eine Strecke Hauptbahnhof, Schwedenkai und Ostseekai/Kiellinie, insbesondere für Schiffspassagiere und Touristen, ins Spiel gebracht.
Bleiben nur Grüne, Linke, Piraten oder Die Partei.
Die Grünen haben in der Vergangenheit in der Regel gegen Ostring II und Südspange gestimmt, früher teilweise aber mit der halbgaren Begründung, dass der Ostring II nicht finanzierbar wäre und somit die Südspange keinen Sinn mache. Im Juni erklärte der scheidende verkehrspolitische Sprecher Lutz Oschmann in der Ratsversammlung zur Südspange: "Wer neue Straßen bauen will, macht damit den LKW- und den Individualverkehr attraktiver und bremst die notwendige Verkehrswende aus." Im laufenden Wahlkampf ist die Südspange allerdings ein Null-Thema, vom Ellerbeker Direktkandidaten Ulrich Hühn abgesehen (Wahlkreis 19). Bei Stadtbahn/Tram sind die Grünen allerdings vorne. Auf einer der letzten Sitzungen der Ratsversammlung wurde von den Grünen die Prüfung einer Linie bis in den Kieler Süden vorgeschlagen, die ein wichtiger Baustein für ein vernünftiges Mobilitätskonzept ohne neue Schnellstraßen wäre.
Die Linkspartei hat sich am eindeutigsten in ihrem Programm für den ausnahmslosen Schutz des verbliebenen Grüngürtels ausgesprochen, aber auch ohne bisher Südspange und Ostring II im Kommunalwahlkampf weiter zu thematisieren. Anders als die Grünen waren die Linken auch gegen das Möbel-Kraft-Projekt auf dem Kleingartengelände Prüner Schlag. Die verkehrspolitischen Forderungen enthalten wie bei den Grünen Stadtbahn (bzw. sogar Stadtregionalbahn) und Förderung des Radverkehrs.
Auch die Kieler Piraten sprechen sich für eine Verkehrswende aus, bleiben aber da, wo es spannend wird, unkonkret. Kein klares Nein zur Südspange. Und auch kein klares Ja zur Stadtbahn - ein Thema, das sich für die Piraten offensichtlich als Neuland darstellt. Bei Kleingärten und Wohnen im Grüngürtel sind die Forderungen der Piraten allerdings gut.
Die Partei möchte die Innenstadt fluten und somit autofrei wie Venedig bekommen. Laut Lokal-O-Mat ist man wohl einer Stadtbahn nicht abgeneigt, auch wenn im "Kommunarwal Programm" lediglich schienengebundene Gondeln genannt sind. Sehr gute Forderungen wie die Renaturierung des Citti-Parks vermisst man allerdings in dem Programm. Dafür hat man manch ein Partei-Gesicht schon bei der Auseinandersetzung um den Prüner Schlag auf der richtigen Seite gesehen. Also tendenziell wählbar.
Was aber überhaupt nicht geht: Aus dem weltoffenen Tor zu Skandinavien ein misstrauisches Dorf machen zu wollen. Stramm pro Südspange hatte im übrigen immer der bisherige fraktionslose NPD-Ratsherr gestimmt. Von den nun unter dem Namen AfD firmierenden Volksverstehern ist nichts Gegenteiliges zu erwarten. Und gegen die Stadtbahn sind die auch noch. Nur Eklig.
Die Wählergemeinschaft "Wir in Kiel" tritt leider nicht mehr an. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob ein ähnliches Projekt zur Kommunalwahl 2023 notwendig wird.
Wahlempfehlungen zur Kommunalwahl 2018:
1. Linke
2. Grüne
3. Die Partei
4. Piraten
5. Nicht die AfD