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Sehr geehrte Frau Musculus-Stahnke (FDP),

Sie fragten in der letzten Ratsversammlung danach, ob es denn "mit Pferd und Wagen" weiter gehen solle, wenn die A21 in Kiel ankomme. Gemeint wohl: Wie gehts weiter zur B76, wenn die Autobahn nicht am Barkauer Kreuz, sondern vorher endet. Sie erwähnten dabei, dass Sie diese "provozierende" Frage bereits vor ca. 5 Jahren gestellt hätten. Anlass war jetzt der Antrag von Linke und SSW, den - fatalen - Ratsbeschluss pro Südspange von 2017 zu revidieren.

Es ist schade, dass Sie nicht schon vor 5 Jahren eine Antwort bekommen haben. Ich antworte Ihnen nun gerne. Und da Sie öffentlich fragten und auch entsprechend von den KN zitiert wurden ebenso öffentlich.

"FRIDAYS FOR FUTURE LIEBT DIE BAHN!!!" - Der per Megaphon von der vorbeifahrenden Fahrraddemo angesprochene Rangierer am Gütergleis an der Kaistraße schaute zunächst etwas verdutzt. Und musste dann doch grinsen und hob den Daumen, bevor er weiter den Zug mit "Dachser"-Aufliegern auf seine klimaschonende Reise Richtung Süden dirigierte. Und auch sonst gab es jede Menge gute Vibes in Kiel im Zuge der bundesweiten Aktionstage für eine klimagerechte Verkehrswende und gegen den Bau neuer Autobahnen.

mobilitaetswende jetzt

Vielleicht ist es etwas ungewöhnlich, dass eine Webseite, die den Namen eines Kleingartengebietes trägt, sich wiederholt mit schienenbasierter Infrastruktur beschäftigt. Aber auf den zweiten Blick ist das dann doch naheliegend, weil dieses Kleingartengebiet nur mit den richtigen Weichenstellungen im Verkehr auch späteren Generationen für Obst, Gemüse & Chillen zur Verfügung stehen wird. Dabei war hier von der Schiene als Teil der Lösung meist generell in Form der Tram für Kiel die Rede - und im speziellen von der möglichen "Schienen-Südspange" über Kiel-Wellsee nach Neumeimersdorf.

Hier gehts aber nun nicht nur um den Kieler ÖPNV, sondern auch um den Fernverkehr und klimafreundlichen Gütertransport. Kurzum: bei der Bahnstrecke zwischen Bad Oldesloe und Neumünster muss Oberleitung und ein zweites Gleis her. Und zwar so schnell wie möglich!

Doch eins nach dem anderen:

Bahnhof Bad Segeberg. Bild: M.Bienick, Wikipedia, CC BY-SA 2.5
moebel bolsonaro

Klapptnix-Brücke, Weißer Riese, Gelber Finger, Bullenkloster, Kieler Krim, Schuhkarton, Stinkviertel, Ratsrinne: Der Kieler Volksmund kennt einige spezielle Ortsbezeichnungen, die nicht immer nett gemeint sind.

Seit den illegalen Rodungen im Kieler Grüngürtel durch den Möbelkonzern Krieger gibt es nun einen weiteren Namen: Möbel Bolsonaro.

Wenn jemand vor zwei Jahren erzählt hätte, dass Mitte 2020 mehrere tausend Radelnde mit Mund-Nasenschutz eine fröhliche Runde auf der B404 in Rufweite der Bielenbergkoppel drehen: Da hätte man sicher interessiert nachgefragt, welches psychoaktive Kraut solch aparte Visionen auslöst.

Das vergangene Jahr war sicher ein besonderes. Eine Kampagne für Natur, Klima & gute Mobilität unter Pandemiebedingungen durchzuführen: Gewöhnungsbedürftig. Sicher auch, weil viele Menschen gerade ganz andere Sorgen haben. Dass es trotzdem ganz passabel klappte: Ein Hoffnungsschimmer.

Jahresrückblick, Stand der Dinge & Ausblick auf was kommt. Viel Spaß beim Lesen ;-)

b404 kiel

"Sorry, wir können da leider nichts tun": die beliebteste Ausrede für Lokalpolitiker*innen für Passivität beim Thema Südspange und A21 ist der Verweis auf die Planungshoheit des Bundes. Aber selbst wenn der Bund ein negatives Votum der Kieler Ratsversammlung völlig ignorieren würde (oder könnte?): Wo sind denn die großartigen Aktivitäten, dann eben über die Bundespartei auf die Bundesebene Einfluss zu nehmen?

Der Sommer 2020 war auch auf der Bielenbergkoppel ganz besonders: Viele Menschen haben die Gelegenheit wahrgenommen, sich vor Ort ein Bild zu machen, was durch den Bau von Südspange und A21-Nebenstrecke verloren gehen würde. Ob Leute aus der Politik, Aktivisti*innen oder andere Interessierte.

panoramen

Zudem ergab sich die Gelegenheit, dass sich Aktive öfters vor Ort an der frischen Luft mit ausreichend Abstand treffen konnten. Was in Zeiten einer Pandemie eben auch eine gute Möglichkeit war, sich abseits von Videokonferenzen zu sehen. Man mag es kaum sagen: Der Frühling und Sommer auf der Bielenbergkoppel war eigentlich großartig.

Kurze Tage, kühlere Temperaturen und "Lockdown light" sind allerdings nicht ideal für Ortstermine nach Feierabend. Dafür wurde nun ein Stück Sommer in die kalte Jahreszeit gerettet.

Die Koppel lebt! Das Bündnis "Vorfahrt für den Klimagürtel" lud am Samstag die Presse zu einem Rundgang in den Grüngürtel und informierte im vorwege betroffene Kleingärtner*innen. Auf dem Eiderwanderweg, der zu Ungunsten einer innerörtlichen Nebenstrecke der A21 weichen soll, wurde die querende Südspangenbrücke in originaler Breite visualisiert.

Und (fast) alle waren dabei:

Es sieht so aus, dass die friedlichen, aber spektakulären Aktionen der letzten Wochen einiges in Bewegung gesetzt hätten - wie auch die umstrittene Auszeichnung Kiels mit dem Nachhaltigkeitspreis. Die Diskussion um A21 und Südspange, die manche vielleicht gerne nach Baubeginn verschoben hätten, ist im vollen Gange. Eine kommentierte Übersicht der Pressemitteilungen von Ratsparteien und Verbänden sowie weitere Statements.

Verlängerung des Westrings im Rahmen des Straßenbauprojektes Kieler Hufeisen (1964) *

Es gibt da eine anrührende Geschichte, die seit gut zwei Jahrzehnten insbesondere von älteren Sozialdemokrat*innen in Kiel erzählt wird.
Sie geht in etwa so: Der Westring war bis in die 90er-Jahre überlastet. Deswegen wurde der "Westring II", nach dem großen schwedischen Sozialdemokraten "Olof-Palme-Damm" benannt, gebaut, um den jetzigen Westring zu entlasten. Und siehe da: es hat doch geklappt!

Genau so etwas müsste man doch auch auf dem Ostufer machen, das sowieso immer vernachlässigt wird. Dort, wo Leute mit weniger Geld wohnen und auch die SPD immer noch Direktmandate bei Wahlen holt. Also bauen wir dort den Ostring II (vielleicht "Helmut-Schmidt-Schnellweg"?), um den jetzigen Ostring von Verkehr zu entlasten!

Eine schöne Geschichte, die sich möglicherweise für ein Musical von Leonard Bernstein geeignet hätte. Aber leider nicht als Grundlage für politische Entscheidungen im Jahr 2020. Denn sie ist überwiegend fiktiv.