"Wir warten aufs DEGES-Gutachten" hieß es über Jahre bei großen Teilen der Kieler Stadtpolitik. So ein bisschen wie früher das ähnlich lautende Nachmittagsprogramm zu Heiligabend, das die Zeit bis zur Bescherung überbrückte. Was wohl das Christkind Schönes bringen mag?
Jetzt, wo das seit 2021 überfällige "Gutachten für den Ausbau B404 zur A21, Abschnitt 1 und B202, Neubau Südspange Kiel " vorliegt, kann man sagen: Das lange Warten hat sich nicht gelohnt. Aber immerhin: Manche erlebten doch gewissermaßen eine "schöne Bescherung". Und nach 7 Jahren "bielenbergkoppel.de" sorgte die Präsentation der Ergebnisse vor dem Wirtschaftsausschuss des Landtages durch einen DEGES-Vertreter, die man am 4. Dezember live per Audiostream verfolgen konnte, auch für ein wenig Genugtuung.
Straßenbaufans erleben "Schöne Bescherung" durch die DEGES
Bereits 2016 gab es eine städtische Machbarkeitsstudie zur Anbindung der A21 in Kiel, die im Kern bereits feststellte, dass aus fachlicher Sicht eine Südspange nicht alternativlos wäre, keine Probleme löst aber dafür neue schafft. Stichwörter Umwelt, Flächenfraß und Verkehrszunahme. Seit 2017 Thema auf diesen Seiten, seit 2019 zentrale Botschaften des "Klimagürtel-Bündnisses" und finally 2023 Grundlage der ablehnenden Kieler Ratsbeschlüsse zu Südspange und A21-Bau mit Nebenstrecke. Für diese Erkenntnisse hätte es kein neues Gutachten gebraucht!
Ausgerechnet der Vertreter der der DEGES hat aber nun mit seinen fachlichen Ausführungen vor dem Wirtschaftsausschuss der Kieler Ratspolitik und dem Klimagürtel-Bündnis den Rücken gestärkt. Mehr noch: Es bestätigt sich, dass das Bündnis seit Jahren seriös und faktenbasiert informiert hat. Wenn auch mit vielleicht mit Abzügen in der B-Note, was die Rolle der DEGES angeht. Denn die völlige Intransparenz des Verfahrens lag nicht wie zwischenzeitlich vermutet an der DEGES selbst. Schuld waren offensichtlich die Auftraggeber, vor allem das Land Schleswig-Holstein.
Aber eines nach dem anderen: Auf Antrag des ehemaligen Verkehrsministers Bernd Buchholz (unter dessen Verantwortung die Reaktivierung von "Hein Schönberg" jahrelang verschleppt wurde) kam das Thema auf die Tagesordnung. Für die DEGES präsentierte Mario Schönherr durchaus kurzweilig den Stand der Dinge.
Absolutes Highlight: Die angeblich "geringe" Umweltbetroffenheit, die in der Projektinfo des Bundesverkehrswegeplans zur Südspange genannt war und auf dieser Seite über Jahre kontinuierlich mit Sarkasmus und Kreuzotter-Bildern kommentiert wurde, wurde auch von Herrn Schönherr süffisant und vollumfänglich auseinander genommen. Zitat sinngemäß: "Ich habe mir das 2019 das erste Mal vor Ort angeschaut und war erstaunt ... man war wohl von einer ebenen Sandfläche ausgegangen".
Während auf bielenbergkoppel.de bereits 2017 von einem "offensichtlich schöngerechneten Nutzen-Kosten-Verhältnis von 4,1" zu lesen war, gibt es nun von der DEGES Butter bei die Fische: Nicht mehr mit 35 Mio Kosten (2014) der Südspange ist zu rechnen, sondern je nach Variante mit bis zu 265 (!) Mio.
Die verkehrliche Wirkung laut DEGES? Eine Südspange würde praktisch keine Bedeutung für den Verkehr von Süden (B404/A21) Richtung Ostufer haben, sondern vor allem über die ehemalige B4 (jetzt L318,) Verkehr anziehen, der von der A7/A215 Abfahrt Blumenthal als Abkürzung Richtung Ostufer kommt. Thema verfehlt, sozusagen. Die Menschen in Molfsee würden sich herzlich bedanken.
Billiger & Null Problemo: Eine 4-spurige B404 ohne Nebenstrecke
Auf Nachfrage der Grünen-Abgeordneten Nelly Waldeck: Die A21-Nebenstrecke über den Hörn-Eidertal-Wanderweg könnte, ausdrücklich als grobe Schätzung ("nageln Sie mich nicht fest"), etwa 20 Millionen Euro kosten. Eine reine B404-Lösung wäre also entsprechend günstiger. Mindestens.
Schönherr auf Nachfrage von Bahnversager Buchholz, der zuvor bitterlich und wortreich angebliche A21-Verzögerungen durch die Stadt Kiel beklagte: Sollte es zu einer Umplanung kommen, wo die B404 vierstreifig OHNE Nebenstrecke ausgebaut würde, würde das keine Verzögerung bedeuten. Sofern eine schnelle Entscheidung getroffen wird. Entsprechende Gespräche sollen noch im Dezember in Berlin geführt werden.
Interessant aber, dass sich Schönherr "überrascht" im Ausschuss zeigte von der neuen Beschlusslage der Stadt Kiel, die zur B404 allerdings bereits im Mai 23 gefasst wurde. Denn zumindest zur Südspange hieß es 2021 vom damals zuständigen Bundes-Staatssekretär Enak Ferlemann auf Anfrage von MdB Luise Amtsberg: "Die Variantenprüfung zum Neubau der Südspange wird in Abstimmung mit der Landeshauptstadt Kiel durchgeführt ".
War anderthalb Jahre lang das städtische Faxgerät kaputt?
Der Stand der Dinge ...
Die Südspange ist tot. Selbst die von der DEGES vorgestellte Vorzugsvariante war eher nur "pro forma" zu verstehen, da sie unter schlechten Lösungen nur das kleinste Übel war.
Das Wording (u.a. in der Presse), dass die DEGES die A21 bis zum Barkauer Kreuz "empfohlen" habe, ist insofern irreführend, weil die reine B404-Lösung nicht zum Untersuchungsauftrag gehörte und somit logischerweise auch gar nicht empfohlen werden konnte.
Die jetzt 2-streifige B404-Spannbeton-Brücke von 1955, die über die Bahnstrecke führt, hat für die Deges absolute Priorität: "Da muss man ran". Planungen für 4-spurigen Neubau sind vorbereitet. Genau genommen war dies auch nie vom Klimagürtel-Bündnis ausgeschlossen worden.
Mittels Fernstraßengesetz §5a könnte der Bund einen weiteren Ausbau der B404 als Bundesstraße mitfinanzieren und mindestens 20 Millionen sparen, so dass die Stadt Kiel nicht unbedingt auf Kosten für zusätzlichen Lärmschutz oder späteren Umbau des Barkauer Kreuzes alleine sitzen bleiben müsste. Also Verhandlungssache. OB Ulf Kämpfer, der bisher öffentlich beim A21-Ausbau eine glasklare Wischiwaschi-Position vertritt, hat zumindest jetzt zusammen mit Umwelt-Stadträtin Alke Voss einen Brief an den noch amtierenden Verkehrsminister Wissing geschickt, der gut nachvollziehbar die Position der großen Ratsmehrheit und des Klimagürtel-Bündnisses vertritt. Eine Antwort steht noch aus (Stand 20.12.24)
Ein 4-spuriger Ersatz-Neubau der B404-Brücke (d.h. durchgängige 4-Spurigkeit der B404) würde wohl recht schnell beginnen, für eine A21 plus Nebenstrecke würden nach Insider-Einschätzung in 10 Jahren im Grüngürtel die Bagger mit dem baggern beginnen.
Eine aktuelle Planzeichnung der A21 mit Nebenstrecke, die nicht Bestandteil des veröffentlichten Gutachtens ist (aber dem Schreiber vorliegt), bestätigt leider im Großen und Ganzen die jahrelang vom Klimagürtel-Bündnis geäußerten Befürchtungen. Führung der Nebenstrecke für langsame Verkehre und ÖPNV vom Meimersdorfer Moor über den Hörn-Eidertal-Wanderweg mit entsprechenden negativen Folgen für Umwelt, Natur, Stadtklima und Erholung. Abweichend im Norden nicht Führung der Strecke über die Flintbeker Straße wie ursprünglich angedacht, sondern über das Gewerbegebiet Tonberg. Dadurch würde der Bereich Grünes Herz und Spolerstraße in Gaarden-Süd vom ÖPNV abgehängt werden. Und eine deutlich breitere A21 würde natürlich eine deutlich breitere Schneise am Vieburger Gehölz bedeuten und der Siedlung an der Hofteichstraße den Zugang zum Wald nehmen.
Ungeklärt und im Gutachten ausgespart ist im übrigen, wie der A21-Anschluss am Barkauer Kreuz letztlich erfolgen würde. Die städtische Machbarkeitsstudie von 2016 zeigte da unschöne Kurven und Linien durch Altersheim, Alte Meierei sowie Einfamilienhäuser am Lübscher Baum.
Für das Klimagürtel-Bündnis sind solche in jeder Hinsicht sinnlosen Pläne nach wie vor nicht akzeptabel. Das riecht nach jahrelangem Stunk, statt sich endlich auf sinnvolle und nachhaltige Projekte wie Stadtbahn, Ausbau Schienen(güter-)verkehr und Radverkehr konzentrieren zu können. Und sicher wird es dann auch wieder Aktionen geben. Im Grüngürtel, im Vereinsheim, im Briefkasten, im virtuellen Raum, auf der Straße ...
Aber jetzt warten wir erst einmal aufs Christkind :-)
[Bild: Hörn-Eidertal-Wanderweg / A21-Nebenstrecke, Blickrichtung Tonberg. 20.12.24]